Staffelübergabe nach erfolgreichem Turnaround: Am 1. April 2015 bekommt die ProSiebenSat.1 Media AG mit Gunnar Wiedenfels einen neuen Chief Financial Officer (CFO). Sein Vorgänger Axel Salzmann war sieben Jahre lang für den Konzern tätig und kennt seinen Nachfolger bestens, hat er ihn doch 2009 selbst ins Unternehmen geholt. Ein Gespräch über Kosten, Cash und den Kapitalmarkt.
Interview mit Axel Salzmann und Dr. Gunnar Wiedenfels
Herr Salzmann, Sie haben im Frühjahr 2008 bei ProSiebenSat.1 begonnen. Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Arbeitstag?
Axel Salzmann: Oh ja, das war der 1. Mai 2008. Aber weil ich es kaum erwarten konnte anzufangen, war ich schon am 30. April hier. Ein paar Tage vorher musste der Konzern eine Gewinnwarnung herausgeben. Das war kein gemütlicher Einstand.
Das Unternehmen war damals in einer schwierigen Lage …
Axel Salzmann: Es war eine ganz besondere Situation. 2007 hatte ProSiebenSat.1 zum einen die internationale TV-Gruppe SBS übernommen, zum anderen ein Vertriebskonzept ausgearbeitet, das nicht ganz den Anforderungen des Marktes entsprach. Dadurch kam es zu erheblichen Umsatzeinbußen, und so trivial es klingt: Wenn der Umsatz nicht stimmt, kann man auch kein gutes Ergebnis liefern. Dann haben wir 2009 aber in nur zwölf Monaten die Kosten um rund 220 Millionen Euro reduziert – im Rückblick eine außergewöhnliche Leistung, bei der alle an einem Strang gezogen haben.
Wie ging die Unternehmensentwicklung weiter? Können Sie in zwei, drei Schlaglichtern die Höhepunkte Ihrer CFO-Zeit skizzieren?
Axel Salzmann: Von da an hat sich ProSiebenSat.1 äußerst dynamisch entwickelt. Wir konnten im Geschäftsjahr 2011 zunächst unsere Netto-Finanzverschuldung um 1,2 Milliarden Euro reduzieren, hierzu haben wir unser Belgien- und Niederlande-Geschäft verkauft. Darauf aufbauend haben wir unser heutiges Netto-Finanzverschuldungsziel festgelegt, das beim 1,5- bis 2,5-Fachen des bereinigten EBITDA der vergangenen 12 Monate liegt. In den Jahren 2012 und 2013 haben wir dann entschieden, dass wir uns auf unser deutschsprachiges TV-Geschäft konzentrieren wollen, und schließlich auch das Nordeuropa-Portfolio verkauft. Seither investieren wir konsequent in digitale Zukunftsfelder und haben dem Kapitalmarkt versprochen, bis 2015 insgesamt 800 Millionen Euro mehr Umsatz als 2010 zu erzielen. Das haben wir nun ein Jahr früher erreicht als angekündigt.
Sie haben im vergangenen Jahr eine 600-Millionen-Euro-Anleihe emittiert und damit ein bestehendes Darlehen anteilig zurückgeführt. Was war das strategische Ziel hinter dieser Transaktion?
Axel Salzmann: ProSiebenSat.1 ist bestrebt, einen Teil seines Finanzbedarfs über den Kapitalmarkt langfristig zu finanzieren. Zudem bemühen wir uns darum, die Fälligkeiten unserer Finanzierungen so zu staffeln, dass ein möglichst breites Rückzahlungsprofil entsteht. Ein wichtiger Schritt dazu war die Platzierung der Anleihe. Das Unternehmen wird künftig sicherlich weitere Schritte in diese Richtung machen und Marktopportunitäten nutzen, wann immer sie entstehen. Immerhin war die Anleihe dreieinhalbfach überzeichnet und hat bei sieben Jahren Laufzeit einen Coupon von 2,625 Prozent – das nenne ich hocherfolgreich.
Herr Wiedenfels, in der Restrukturierungsphase hat Sie Axel Salzmann damals ins Unternehmen geholt. Nun werden Sie Finanzvorstand in einem hochprofitablen Konzern mit stark gestiegenem Aktienkurs. Wo werden Ihre Schwerpunkte liegen?
Gunnar Wiedenfels: Für mich ist die entscheidende Frage, was wir als Management beitragen können, damit dieses Unternehmen in Wachstumsphasen die richtigen Investitionsentscheidungen trifft und in krisenorientierten Zeiten entschlossen und frühzeitig reagiert. Ich bin überzeugt, dass wir ein sehr gutes Team haben, mit dem es Spaß machen wird, auch die nächsten Herausforderungen anzugehen. Es gab und gibt hier im Haus eine große Bereitschaft zu Veränderung und Weiterentwicklung.
Sie haben zuletzt das Controlling im Konzern verantwortet. Wie sehen Sie Ihre Rolle als künftiger CFO?
Gunnar Wiedenfels: Ich möchte unternehmerisch gestalten. Meine Hauptrolle als Finanzvorstand sehe ich darin, sicherzustellen, dass unternehmerische Entscheidungen rational getroffen werden. Dazu ist es wichtig, Controlling-Daten auszuwerten und auf dieser Basis inhaltliche Entscheidungen mitzutreffen.
Herr Salzmann, fast während Ihrer gesamten Amtszeit waren mit Permira und KKR zwei Finanzinvestoren die bestimmenden Miteigentümer des Konzerns. Beide haben ihre Anteile inzwischen verkauft. Verändert die neue Eigentümerstruktur die Arbeit des Finanzvorstands?
Axel Salzmann: Ich habe Permira und KKR stets als unternehmerisch und fokussiert arbeitende Investoren kennengelernt. Sie haben die Entwicklung des Unternehmens in strategischer Hinsicht sehr unterstützt. Nun haben wir es mit anderen professionellen institutionellen Investoren zu tun, die allerdings ähnliche Dinge einfordern: eine starke Wachstumsperspektive und gute Dividendenrendite.
»MEINE HAUPTAUFGABE HEISST RATIONALITÄTSSICHERUNG.«
DR. GUNNAR WIEDENFELS
Die künftigen Wachstumsziele basieren unter anderem auf Synergien zwischen traditionellem TV-Geschäft und digitalem Portfolio. Wie ist das zu verstehen?
Gunnar Wiedenfels: Natürlich wollen wir in den kommenden Jahren im traditionellen Fernsehgeschäft weiter wachsen. Zugleich bauen wir aber im Bereich Digital & Adjacent neue Angebote auf, die auch unsere TV-Marken erweitern und stärken. Mit maxdome sind wir bereits Marktführer im Paid-Video-on-Demand-Markt in Deutschland. Außerdem haben wir werbefinanzierte Online-Video-Angebote wie MyVideo, unsere TV-Websites, die 7TV App sowie ein stark wachsendes Multi-Channel-Network. Dazu kommt unser expandierendes Beteiligungsportfolio im Bereich Digital Commerce. Hier verfolgen wir eine Vertical-Strategie, in der sich die Unternehmen gegenseitig ergänzen und Synergien bilden, etwa durch die Weitergabe von Web-Traffic. Je größer die Verticals und ihre Unternehmen werden, umso stärker wird diese Wirkung sein.
Ist die ProSiebenSat.1 Group an der Börse eigentlich ein Substanzwert oder ein Wachstumstitel?
Gunnar Wiedenfels: Beides. Einerseits gelten wir als Unternehmen mit starken Wachstumsimpulsen, das haben wir in der Vergangenheit bewiesen. Zugleich haben wir am Kapitalmarkt aber auch kommuniziert, 80 bis 90 Prozent des bereinigten Konzernüberschusses als Dividende auszuschütten. Das können wir, weil wir zwei Investitionswährungen besitzen: Wir sind ein sehr Cashflow-starkes Unternehmen. Darüber hinaus haben wir für Investitionen auch Werbezeit. Das gibt uns die Möglichkeit, uns mit Medialeistung an erfolgsversprechenden Start-ups zu beteiligen, aber auch eigene Produkte zu pushen.
Es klingt, als seien Sie schon voll im CFO-Geschäft angekommen. Herr Salzmann, haben Sie für Ihren Nachfolger trotzdem noch einen Ratschlag?
Axel Salzmann: Gunnar war nun ein Jahr mein Stellvertreter und kennt unser Geschäft seit über sechs Jahren. Er ist bestens auf seine neue Rolle vorbereitet.<